Richtiges digitales Spielen: Angemessen begleiten statt unbegründet verbieten
Heute sind digitale Spiele ein wesentlicher Bestandteil des Lebens vieler Kinder und Jugendlicher. Mit der Verbreitung von digitalen Spielen wachsen jedoch die Bedenken von Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen. Die Annäherung an diese Kultur kann für Menschen, die sich mit digitalen Spielen bisher nicht auseinandergesetzt haben, herausfordernd sein.
Unser Redakteur Fabian Karg schreibt jeden Monat in den aimBlicken über aktuelle Themen des Jugendmedienschutzes und über Aspekte der digitalen Transformation. Er gibt Anregungen und Denkanstöße und lädt Sie ein, sich mit neuen Themen zu beschäftigen, um für das Heute und das Morgen gerüstet zu sein.
Auch wenn es Spiele gibt, die für Kinder und Jugendliche nicht geeignet sind, ist es wichtig zu erkennen, dass ein unbegründetes Verbot bei Kindern und Jugendlichen zu Unverständnis führt. Die beste Methode ist, Kinder und Jugendliche angemessen zu begleiten und ihre digitale Reise nachzuvollziehen. Erziehungsberechtigte und Pädagoginnen und Pädagogen müssen nicht alles erlauben oder gar im Detail kennen, aber sie sollten sich mit der Welt der digitalen Spiele auseinandergesetzt haben.
Positive Aspekte von digitalen Spielen
Digitale Spiele sind weit mehr als passive Unterhaltung. Sie sind ein wichtiger Teil der modernen Jugendkultur. Sie sind eine Plattform für soziale Interaktion und Kreativität und können Kinder und Jugendliche für Themenbereiche interessieren, die sie sonst eher langweilig finden wie etwa Geschichte, Technologie und Kunst. Dabei reicht die Palette der Genres von pädagogischen Spielen bis zu komplexen strategischen Simulationen und kreativen Sandbox-Spielen.
Rätsel und komplexe Zusammenhänge digitaler Spiele können die Problemlösefähigkeiten der Spielenden fördern. Sie lernen, kreativ zu denken und Strategien zu entwickeln, was ihre kognitiven Fähigkeiten stärkt. Darüber hinaus bieten viele Spiele die Freiheit, eigene Welten zu erschaffen und zu gestalten, und regen so Kreativität und Fantasie an.
Mögliche Risiken
Auf der anderen Seite stellen problematische Inhalte wie z. B. drastische Gewalt oder sexualisierte Darstellungen eine Gefahr für Kinder und Jugendliche dar. Eine übermäßige Bildschirmzeit kann nicht nur die körperliche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen, sondern lässt schlicht keine Zeit für andere Freizeitaktivitäten. Es besteht die Gefahr sozialer Isolation und der Entwicklung ungesunder Verhaltensweisen, einschließlich einer möglichen Spielsucht.
Oft mangelt es an Transparenz hinsichtlich des Zeitaufwands oder der Kosten, die tatsächlich benötigt werden, um in einem Spiel voranzukommen. Bei einigen Spielen wird beispielsweise künstlich die Spielzeit verlängert, um so die Spielenden dazu zu animieren, für ein schnelleres Vorankommen zu bezahlen, sich sozusagen einen Spielvorteil zu erkaufen.
Über Mikrotransaktionen werden Spielende oft gedrängt, Geld auszugeben, ohne dass sie wissen, welchen Betrag sie tatsächlich bezahlen. Hierbei handelt es sich um kleine finanzielle Transaktionen, bei denen virtuelle Güter gekauft werden können. Darüber hinaus bergen manipulative Systeme wie unregelmäßige Belohnungen oder Lootboxen („Schatzkisten“ mit einer zufälligen Auswahl von Gegenständen, die die Spielenden sammeln können) die Gefahr einer Spielsucht, da sie die Spielerinnen und Spieler stark an sich binden.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Eltern und Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sich dieser Risiken bewusst sind und sie proaktiv angehen. Ein einfaches Verbot digitaler Spiele ist nicht die Lösung. Vielmehr sollten die möglichen Risiken als Anlass für Medienbildung und eine Diskussion auf Augenhöhe gesehen werden. Dies kann Eltern und Fachkräften helfen, ihr Verständnis für die Interessen der Kinder und Jugendlichen zu vertiefen und ein Klima des Vertrauens zu schaffen.
Gute Spiele, schlechte Spiele – Unterscheidungsmerkmale
Qualitativ hochwertige Spiele zeichnen sich gleichermaßen durch ansprechende und bereichernde Gestaltung aus.
Verantwortungsvolle Spieleentwicklerinnen und -entwickler legen Wert auf ethische Standards, auf Datenschutz, eine faire Monetarisierung und einen respektvollen Umgang mit sensiblen Themen. In das Spiel eingebaute Schutzmechanismen sollen unangemessenes Verhalten anderer Spielerinnen und Spieler oder gefährliche Inhalte ausschließen. So wird ein sicheres und bereicherndes Spielerlebnis ermöglicht.
Die digitale Spielelandschaft ist vielfältig und nicht jedes Spiel entspricht den gleichen Qualitätsstandards oder ethischen Richtlinien. Daher müssen Kriterien zur Beurteilung der Spiele entwickelt werden, um so allen Beteiligten fundierte Entscheidungen und einen sicheren Umgang mit der digitalen Spielewelt zu ermöglichen:
Merkmale guter Spiele
- Förderung der Problemlösefähigkeiten: Gute Spiele bieten oft komplexe Probleme und Rätsel. Spielerinnen und Spieler lernen, kreativ zu denken, Strategien zu entwickeln und Lösungen für Herausforderungen zu finden.
- Förderung der Kreativität: Das Spiel bietet den Spielerinnen und Spielern die Möglichkeit, eigene Welten zu erschaffen, zu gestalten und ihre Fantasie auszuleben.
- Benutzerfreundlichkeit: Ein gutes Spiel bietet eine klare und intuitive Benutzeroberfläche, die es Spielerinnen und Spielern ermöglicht, ohne unnötige Komplikationen oder Frustrationen in das Spielerlebnis einzutauchen.
- Ethik und Verantwortungsbewusstsein: Verantwortungsvolle Spieleentwicklerinnen und -entwickler berücksichtigen ethische Standards wie Datenschutz, faire Monetarisierung und den sensiblen Umgang mit Themen wie Gewalt und Diversität.
- Sicheres Umfeld: Es gibt Schutzmechanismen gegen unangemessenes Verhalten oder Inhalte.
Merkmale schlechter Spiele
- Mikrotransaktionen: Finanzielle Transaktionen, deren tatsächliche Kosten oft nicht transparent gemacht werden.
- Künstliche Verlängerung der Spielzeit: Eingebaute Wartezeiten etc., die das Spiel hinauszögern, um Spielerinnen und Spieler dazu zu verleiten, Geld für eine schnellere Fortsetzung auszugeben.
- Manipulative Belohnungssysteme: Spielelemente wie unregelmäßige Belohnungen oder Lootboxen, die Spielerinnen und Spieler drängen, immer weiterzumachen. Gefahr, süchtig zu werden.
- Fehlende Transparenz: Es ist oft unklar, wie viel Zeit oder Geld benötigt wird, um echten Fortschritt im Spiel zu erzielen.
- Aggressive Push-Benachrichtigungen: Diese können Spielerinnen und Spieler dazu drängen, öfter zu spielen oder Käufe zu tätigen, selbst wenn sie dies nicht wollen.
Durch das Erkennen und Verstehen all dieser Merkmale können Schülerinnen und Schüler besser informierte Entscheidungen hinsichtlich ihrer Spielgewohnheiten treffen und gesündere Beziehungen zu digitalen Medien pflegen. Zudem wird die kritische Denkfähigkeit entwickelt. Inhalte, mit denen die Spielerinnen und Spieler künftig konfrontiert werden, können besser analysiert und bewertet werden.
Rahmenbedingungen für einen gesunden Umgang mit digitalen Spielen
Digitale Spiele sind ein fester Bestandteil unserer Welt. Es liegt in der Verantwortung von Erwachsenen, den Kindern und Jugendlichen die Fähigkeiten und das Wissen zu vermitteln, sich in der digitalen Welt sicher zu bewegen. Dies erfordert Engagement, Offenheit und einen Willen zum Dialog.
Ein ausgewogener Umgang mit digitalen Spielen ist essenziell. So können Erziehungsberechtigte und pädagogische Fachkräfte für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen:
- Setzen Sie klare Regeln für die Spielzeit und halten Sie daran fest.
- Bleiben Sie offen für Diskussionen und zeigen Sie Verständnis.
- Setzen Sie auch immer wieder klare Grenzen: Ein Spiel mit USK ab 16 ist nun einmal nicht für ein 9-jähriges Kind geeignet.
- Beteiligen Sie sich aktiv: Kennen Sie die Spiele, die Ihre Kinder spielen, und spielen Sie mit, wenn es möglich ist.
- Unternehmen Sie viel mit Ihrem Kind. Zeigen Sie ihm, dass digitale Spiele nur EIN mögliches Hobby sind und eröffnen Sie ihm analoge Lebenswelten – ohne digitale Welten abzuwerten.
Die erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahmen führt zu einem besseren Verständnis der digitalen Welt und reduziert negative Auswirkungen.
Was kann ich tun?
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Lernimpuls 1: Gute Spiele? Schlechte Spiele?
Die digitale Spielelandschaft hat sich über die Jahre rasant entwickelt. Sie ist heute ein bedeutender Bestandteil unserer Kultur, vergleichbar mit Literatur und Film. Analog zur kritischen Analyse dieser herkömmlichen Kunstgattungen sollte die Fähigkeit zu vertieftem Verständnis und zu kritischer Bewertung digitaler Spiele entwickelt werden. Mechanismen, Ziele und Werte hinter den Spielen werden so erkannt, und dies hilft bei der Unterscheidung von guten und von schlechten Spielen. So können die Schülerinnen und Schüler informierte Entscheidungen darüber treffen, welche Spiele sie spielen und wie sie sie spielen. Der folgende Fragenkatalog kann bei unterrichtlichen Entscheidungen helfen.
Mögliche Leitfragen für den Unterricht:
- Was macht für euch ein Spiel besonders spannend oder reizvoll?
- Welche Eigenschaften sollte ein gutes Spiel haben, damit es nicht langweilig wird?
- Welche Rolle spielen Geschichten oder Narrative in den Spielen, die ihr mögt?
- Wie wichtig ist das Design oder die Grafik eines Spiels für euer Spielerlebnis?
- Welche Spiele empfindet ihr als fair und welche als unfair? Warum?
- Wie beeinflussen Spielmechaniken – etwa Belohnungssysteme oder Herausforderungslevel – eure Motivation, ein Spiel weiterzuspielen?
- Welche sozialen Aspekte wie Kommunikation mit anderen Spielern, Teamarbeit oder Wettbewerb machen für euch ein gutes Spiel aus?
- Welche emotionalen Reaktionen lösen gute Spiele bei euch aus? Welche Gefühle möchtet ihr beim Spielen erleben und welche nicht?
- Wie wichtig ist die Lernkomponente in einem Spiel für euch? Gibt es Spiele, bei denen ihr das Gefühl habt, etwas Wertvolles zu lernen?
- Was haltet ihr von Spielen, die versuchen, euch zum Kauf von In-Game-Items oder zum ständigen Weiterspielen zu bewegen? Welche Praktiken findet ihr akzeptabel und welche nicht?
Eine Übersicht der Merkmale guter und schlechter Spiele finden Sie hier.
In-Game-Items
In-game-Items" (auf Deutsch "Gegenstände im Spiel") sind Objekte oder Artikel, die innerhalb eines digitalen Spiels existieren und oft eine Funktion oder einen Wert für den Spieler haben. Sie können verschiedene Formen und Zwecke haben, abhängig vom Spiel und seinem Design. In vielen modernen Videospielen können In-Game-Items auch gekauft oder gehandelt werden, entweder durch den Einsatz von echtem Geld oder durch die Spielwährung. Einige Spiele haben auch Märkte entwickelt, auf denen die Spieler diese Gegenstände untereinander handeln können. Es ist zu beachten, dass der Kauf von In-Game-Items in einigen Spielen kontrovers diskutiert wird, besonders wenn sie einen wettbewerbsfähigen Vorteil bieten ("Pay-to-Win") oder wenn sie in "Lootboxen" verkauft werden, bei denen die Spieler für eine zufällige Auswahl von Gegenständen bezahlen.
Lernimpuls 2: Spiele entwickeln
Die Welt der Spiele ist so vielfältig und facettenreich wie die menschliche Kreativität selbst. Ob wir über Brettspiele, Kartenspiele oder digitale Videospiele sprechen, jedes Spiel startet mit einer einfachen Idee. Bei der Entwicklung eines eigenen Spiels werden nicht nur Kreativität und Vorstellungskraft angeregt, sondern auch logisches Denken und Problemlösungskompetenzen geschärft. In diesem Impuls werden die Schülerinnen und Schülern in die Rolle von Spieleentwicklern schlüpfen und die Grundlagen des Game Designs erkunden.
Leitfragen:
- Was macht ein Spiel spannend und ansprechend?
- Wie sorgen Regeln für einen fairen Wettbewerb und gleichzeitig für Herausforderung?
- Welche Bedeutung haben die Spielfiguren oder Charaktere für ein Spiel?
- Was sind die zentralen Herausforderungen und Ziele in den von euch bevorzugten Spielen?
- Wie kann ein Spiel nicht nur unterhalten, sondern auch lehrreich sein?
Unterrichtsschritte:
- Inspiration sammeln: Zeigen Sie den Schülerinnen und Schülern Beispiele verschiedener Spiele, von klassischen Brettspielen bis hin zu modernen Mobile Games. Diskutieren Sie gemeinsam die Elemente, die diese Spiele ansprechend und interessant machen.
- Brainstorming in Gruppen: Teilen Sie die Klasse in kleinere Gruppen auf. Jede Gruppe sollte eine grobe Idee für ein eigenes Spiel entwickeln. Hierbei sollten sie über Genre, Setting, Charaktere, Hauptziele und grundlegende Regeln nachdenken.
- Prototyping: Mithilfe von Papier, Stiften, Scheren und anderen zur Verfügung stehenden Materialien erstellen die Gruppen einen ersten Prototyp ihres Spiels. Dieser sollte die grundlegenden Spielmechaniken und -elemente beinhalten.
- Testphase: Die Gruppen tauschen ihre Spiele aus und probieren sie aus. Während des Spielens sollten sie Feedback notieren: Was hat Spaß gemacht? Was war verwirrend? Welche Elemente könnten verbessert werden?
- Überarbeitung & Präsentation: Basierend auf dem Feedback überarbeiten die Gruppen ihre Spiele. Am Ende präsentiert jede Gruppe der Klasse ihr Spiel, erläutert die Regeln und die kreativen Entscheidungen, die sie getroffen haben.
Dieser Unterrichtsimpuls bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, kreative Ideen in konkrete Konzepte umzusetzen, Teamarbeit zu praktizieren und kritisches Feedback sowohl zu geben als auch zu empfangen. Es ist ein praxisorientierter Ansatz, um den kreativen Prozess des Game Designs zu erkunden.
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