Wie viel Medienzeit ist zu viel?

Unser Redakteur Fabian Karg schreibt jeden Monat in den aimBlicken über aktuelle Themen des Jugendmedienschutzes und über Aspekte der digitalen Transformation. Er gibt Anregungen und Denkanstöße und lädt Sie ein, sich mit neuen Themen zu beschäftigen, um für das Heute und das Morgen gerüstet zu sein.

Mit dem technologischen Fortschritt sind wir mehr Informationen ausgesetzt als jede andere Generation zuvor. Wie können Lernbegleitende und Eltern die natürliche Neugier der Kinder und Jugendlichen fördern und deren Problemlösefähigkeit schulen, um sie dadurch auf die Zukunft vorbereiten?
Unter der Überschrift „Unterricht to go" erhalten Sie kurze und knappe Lernideen zum direkten Einsatz im Gespräch mit Ihren Lernenden oder Ihren Kolleginnen und Kollegen.

In der Theorie

Die ideale Dauer der täglichen Medienzeit für Kinder und Jugendliche – gibt es diese überhaupt?

In einer Zeit, in der digitale Technologien und soziale Medien immer präsenter in unserem Alltag werden, gehört die Diskussion um Medienzeiten zum Alltag. Lehrkräfte und Eltern müssen sich täglich die Frage stellen, wie sie eine gesunde Balance zwischen Medienkonsum und analogen Aktivitäten für die Lernenden fördern können. Bevor wir uns in späteren Beiträgen mit den Fragen „Was machst du da eigentlich vor dem Bildschirm?“ und „Warum sitzt du schon wieder vor dem Bildschirm?“ befassen werden, steht bei dem vorliegenden Beitrag die Frage im Vordergrund „Wie viel Medienzeit ist in Ordnung für mein Kind?“. Als Vater einer neunjährigen Tochter und eines zwölfjährigen Sohnes bin ich bestens vertraut mit den Gedanken, die Eltern zu diesem Thema im Kopfe herumschwirren. Es vergeht kein Tag, an dem meine Frau und ich uns zu diesem Problem eine einfache Lösung wünschen. 

„Die Frage nach der idealen Dauer der Medienzeit für Kinder und Jugendliche lässt sich nicht pauschal beantworten, da sie von vielen Faktoren abhängt, wie etwa Alter, Entwicklungsstand und individuellen Interessen.“

Fabian Karg

Wenn es doch nur so einfach wäre!

Die Frage nach der idealen Dauer der Medienzeit für Kinder und Jugendliche lässt sich nicht pauschal beantworten, da sie von vielen Faktoren abhängt, wie etwa Alter, Entwicklungsstand und individuellen Interessen. Was für meinen Sohn funktionierte als er 9 Jahre alt war, kann für meine Tochter mit 9 bereits zu viel oder zu wenig sein.
Die Initiative SCHAU HIN und das Portal klicksafe bieten Richtwerte für verschiedene Altersstufen, die zur Orientierung dienen können. Es ist jedoch unerlässlich, sich mit dem Thema genauestens auseinanderzusetzen und die Kinder und Jugendlichen während der Verwendung von digitalen Endgeräten und im Anschluss zu begleiten. Sollte es schwerfallen, Zeiten einzuhalten, kann versucht werden, feste Zeitfenster über den Tag einzurichten. Ist das Problem eher, dass bestimmte Apps oder Spiele den Alltag der Kinder bestimmen, sollte die Menge der aufgebrachten Zeit genauer analysiert werden. 
Auch wenn die Frage nach der passenden Dauer für das jeweilige Alter ein Thema ist, dass gerne pauschal abgehandelt werden würde, ist das leider nicht so einfach.
Lehrkräfte und Eltern stehen somit vor der schwierigen Aufgabe, einen angemessenen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln, der einerseits die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördert, andererseits aber auch die notwendige Freizeit für Offline-Aktivitäten ermöglicht.
Was aber einfach ist? Vorbild sein! Das bedeutet, dass wir nicht nur auf die Kinder und Jugendlichen achten, sondern uns ganz genau selbst beobachten und öfter das Gerät beiseitelegen. Die Impulse am Ende des Beitrages bringen hierzu Ideen an den Familientisch. 

Welche Rolle spielt das Alter bei der Medienzeit?

Das Alter eines Kindes oder Jugendlichen ist zwar ein wichtiger Anhaltspunkt, wenn es um Medienzeiten geht, jedoch sollte es nicht als alleiniger Maßstab dienen. Jedes Kind entwickelt sich individuell und hat unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten. Ein jüngeres Kind kann möglicherweise mehr Begleitung und Unterstützung beim Umgang mit Medien benötigen, während ein älteres Kind oder Jugendlicher bereits selbständig und verantwortungsvoll mit digitalen Technologien umgehen kann. Es kann aber auch genauso gut sein, dass ein älteres Kind mehr Probleme hat mediale Inhalte zu verarbeiten als ein jüngeres. Die geistige Reife spielt hierbei eine große Rolle. Es ist wichtig, dass Lehrkräfte und Eltern ihre Schützlinge genau beobachten und deren Fähigkeiten, Interessen und Reifegrad im Umgang mit Medien berücksichtigen. So kann ein differenzierter und individueller Ansatz in der Medienerziehung gewährleistet werden. Hierbei können die Aufgaben und Reflexionsfragen der Impulse helfen.

„Was aber einfach ist? Vorbild sein! Das bedeutet, dass wir nicht nur auf die Kinder und Jugendlichen achten, sondern uns ganz genau selbst beobachten und öfter das Gerät beiseitelegen. “

Fabian Karg

Mehr Qualität statt Quantität bei der Medienwahl für Kinder und Jugendliche?

Statt sich ausschließlich auf die Dauer der Medienzeit zu konzentrieren, sollten Lehrkräfte und Eltern den Fokus auch auf die Qualität der Mediennutzung legen. Dabei gilt es, die Kinder und Jugendlichen dabei zu unterstützen, sinnvolle und bereichernde Inhalte zu finden und sich kritisch mit diesen auseinanderzusetzen.
60 Minuten Minecraft spielen kann sinnvoller sein als 30 Minuten Netflix zu schauen. Selbst zwei Stunden Mario Kart zu spielen kann seine Berechtigung haben, solange man dies beispielsweise mit einer Gruppe von Freunden oder seiner Familie tut. Egal, ob analog oder digital: Grundsätze wie: „Aufbauen ist sinnvoller als Zerstören“, „Gemeinsam spielen ist sozialer und lehrreicher als allein vor dem Bildschirm zu sitzen“ und „Aktiv handeln und Probleme lösen, ist hilfreicher als Inhalte Konsumieren“ helfen schon als einfache Regeln weiter. 
Wer sich mit pauschalen Zeiten retten möchte, begeht einen großen Fehler. Medienzeit ist nicht gleich Medienzeit. Soziale Aktivitäten und gemeinsames Spielen sollten bevorzugt werden. 
Übermäßige oder ungefilterte Medienzeit kann zu Überlastung führen. Daher ist es wichtig, die richtige Balance zwischen der Menge und der Qualität der Medienzeit zu finden. Eltern und Erziehungsberechtigte sollten darauf achten, dass ihre Kinder eine Vielfalt an Aktivitäten ausüben, die sowohl digitale als auch nicht digitale Aspekte des Lebens umfassen und die Schulung der Problemlösefähigkeit in den Vordergrund stellen und nicht das passive Konsumieren. 

Nicht schlauer als zuvor?

Niemand hat alle Antworten rund um die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen parat. Die digitale Welt verändert sich ständig und ist schnelllebig. Es ist normal, dass auch Erwachsene immer wieder Neues lernen und sich anpassen müssen. In solchen Situationen ist es sinnvoll, sich als Lehrkraft oder Elternteil Hilfe zu suchen, beispielsweise durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen oder in Elterngruppen, durch Fortbildungen oder durch die Nutzung von Informationsangeboten im Internet. Gemeinsam können Lehrkräfte und Eltern dann dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche eine gesunde und positive Beziehung zu Medien entwickeln und diese gewinnbringend für ihre persönliche und schulische Entwicklung nutzen können.

Bildschirmzeit Apps – Ist Vertrauen gut und Kontrolle besser?

Unzählige technische Möglichkeiten versprechen Eltern Erleichterung im Umgang mit Medienzeiten bei Kindern und Jugendlichen. Die bekanntesten sind sicherlich Bildschirmzeit und Family Link. Dies sind Anwendungen, die zu iOS und Android Geräten kostenfrei geliefert werden und die einfach auf die Bedürfnisse der Nutzenden eingestellt werden können. Zugriffe auf Apps, Auszeiten und Kommunikationsbeschränkungen können eingestellt und definiert werden. 
Wer eine umfangreichere App möchte und bereit ist dafür Geld auszugeben, kann sich mit Qustodio befassen; wobei man sich hierbei bewusst machen sollte, dass Kontrolle und Nachverfolgung des Standortes keine dauerhafte alleinige „Lösung“ sein dürfen. Vor Verwendung sollte mit den Kindern und Jugendlichen gesprochen werden. Apps dieser Art einfach zu installieren oder funktional zu schalten, ohne mit den Kindern zuvor darüber gesprochen zu haben, kann für einen Vertrauensbruch sorgen.
Auch Nintendo Switch, Playstation und Microsoft bieten unzählige Möglichkeiten Apps und Bildschirmzeiten einzuschränken. Man sollte sich aber keiner Illusion hingeben: Alle dieser Möglichkeiten können auf mehr oder weniger kreative Weise umgangen werden. Abhängig vom Alter der Kinder wird das früher oder später geschehen. 
Es ist also unerlässlich, dass Eltern und Erziehungsberechtigte sich der aktuellen Entwicklungen im Bereich der digitalen Medien bewusst sind und sich aktiv darum bemühen, ihren Kindern Orientierung und Unterstützung zu bieten – mit oder auch ohne den Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie Filtern, Monitoring-Software oder der Nutzung von kindersicheren Plattformen. Eine Übersicht bietet die Initiative SCHAU HIN! in diesem Artikel.

Unterricht to go

Die beiden Impulse haben das Ziel, ein Bewusstsein für die Zeit zu schaffen, die wir mit diesen Geräten verbringen, und uns auf die Auswirkungen auf unsere Gesundheit, unser Sozialleben und unser Wohlbefinden aufmerksam zu machen.

Lernimpuls 1: Analysieren der eigenen Bildschirmzeit – Reflektion

Hier geht es darum, zwei Wochen lang seine Bildschirmzeit zu tracken. Man kann hierfür Apps wie beispielsweise „Bildschirmzeit“ von Apple verwenden oder man notiert sich die Zeit handschriftlich. Die elektronische Variante hat den Vorteil, dass keine Zeiten vergessen werden. Des Weiteren kann mit der elektronischen Variante auch genau festgehalten werden, wie viele Nachrichten erhalten und versandt wurden und wie häufig am Tag das Handy aktiviert wurde.

Reflexionsfragen:

  • Warst du überrascht, wie viel Zeit du an Bildschirmen verbracht hast? War es mehr oder weniger als erwartet?
  • Wie viel Zeit hast du für verschiedene Aktivitäten verwendet (z.B. Arbeit, Schule, soziale Medien, Unterhaltung)?
  • Wie denkst du, beeinflusst deine Bildschirmzeit dein Leben (positiv und negativ)?
  • Gibt es Aktivitäten, für die du weniger Zeit an Bildschirmen verbringen könntest oder möchtest? Welche Alternativen könntest du in Betracht ziehen?
  • Hast du während der Woche Veränderungen in deinem Verhalten bemerkt, weil du deine Bildschirmzeit aufgezeichnet hast? Wenn ja, welche Veränderungen waren das?
  • Wie könntest du deine Bildschirmzeit in der Zukunft bewusster gestalten, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen digitalen und nicht-digitalen Aktivitäten zu erreichen?

Nachdem die Reflexionsfragen beantwortet wurden, kann man überlegen, welche Schritte unternommen werden können, um die Bildschirmzeit besser zu kontrollieren oder anzupassen. Man sollte seine Erfahrungen und Erkenntnisse mit Freunden oder Familienmitgliedern teilen, um ein gemeinsames Bewusstsein für den Umgang mit Bildschirmzeit zu schaffen und voneinander zu lernen.

Lernimpuls 2: Welche Aktivitäten haben welche Auswirkungen? – Sensibilisierung

Im Anschluss an die Analyse der eigenen Bildschirmzeit soll in einem zweiten Schritt festgestellt werden, welche Aktivitäten welche Auswirkungen auf uns haben können.

Mögliche Schritte zum Vorgehen sind die folgenden:

  • Man erstellt eine Liste von Bildschirmaktivitäten, die häufig ausgeführt werden (z.B. soziale Medien, Online-Spiele, Videos ansehen, Arbeiten oder Lernen am Computer).
  • Man reflektiert für jede Aktivität, welche Auswirkungen sie auf Menschen und ihr Verhalten haben könnte. Dabei sollten emotionale, mentale, körperliche und soziale Aspekte bedacht werden.
  • Das Vergleichen der Auswirkungen der verschiedenen Aktivitäten und die Identifikation möglicher Muster oder Unterschiede folgt im Anschluss.
  • Die Erfahrungen sollten mit Freunden, Familienmitgliedern oder Kolleginnen und Kollegen geteilt werden. Dieser Prozess unterstützt bei der Reflektion.

Mögliche Reflexionsfragen könnten lauten:

  • Hast du festgestellt, dass unterschiedliche Aktivitäten am Bildschirm unterschiedliche Auswirkungen auf dich und dein Verhalten haben? Falls ja, welche Aktivitäten haben positivere oder negativere Auswirkungen?
  • Wie beeinflussen meine Bildschirmaktivitäten meine Stimmung und Energielevel? Gibt es Aktivitäten, die mich besonders glücklich, entspannt oder gestresst machen?
  • Gibt es Aktivitäten, die du reduzieren oder ändern möchtest, um ihre Auswirkungen auf dein Leben zu verändern?
  • Wie kannst du ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den verschiedenen Bildschirmaktivitäten schaffen, um die positiven Aspekte zu fördern und die negativen zu minimieren?
  • Wie wirkt sich die Dauer meiner Bildschirmzeit auf meine Konzentration und Produktivität aus? Gibt es einen Unterschied zwischen kurzen und langen Sitzungen an Bildschirmen?
  • Inwiefern beeinflussen meine digitalen Aktivitäten meine sozialen Beziehungen und Kommunikationsfähigkeiten? Fördern oder behindern sie meine zwischenmenschlichen Beziehungen?
  • Wie verändert sich mein Schlafverhalten in Abhängigkeit von der Art und Dauer der Bildschirmzeit, insbesondere kurz vor dem Schlafengehen? Hat dies Auswirkungen auf meine Schlafqualität oder das Einschlafen?

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