Zukunftsfähige Schule beginnt im Netzwerk

Über die Autorinnen

Leonie Lübben aus der aim Akademie und Sarah Puchta von der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU) sind ein echtes Dream-Team. Gemeinsam begleiten und entwickeln sie das Projekt CoTransform Heilbronn, über das sie in ihrem Gastbeitrag berichten.

Rund 200 Augenpaare blicken gespannt auf die erleuchtete Bühne der Aula des winterlichen Bildungscampus Heilbronn: Es sind die Augen der Schulleitungen aller Heilbronner Grundschulen. Sie verfolgen einen Vortrag, der sie alle in seinen Bann zieht. Denn hier wird eine Idee geboren: CoTransform Heilbronn, ein Netzwerkprojekt für eine zukunftsfähige Schulentwicklung, mit Maßnahmen und Zielen, die den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gewachsen sind. 

Hinter der Idee steht die vortragende Professorin Dr. Uta Hauck-Thum von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihr Impuls trifft einen Nerv, denn die Anforderungen an das Schulsystem sind zahlreich. Sie wachsen und mit ihnen die Ansprüche an unsere Kinder, die in einer zunehmend digitalen, komplexen und krisenhaften Welt bestehen müssen. Aus der Forschung wissen wir, dass Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und Zusammenarbeit Schlüsselkompetenzen auf einer langen Liste zu erlernender Fähigkeiten sind. Doch wie lassen sie sich nachhaltig fördern?

 

Verbindung macht’s möglich

Die Antwort auf die Frage, wie diesen Anforderungen zu begegnen ist, gibt CoTransform ebenso klar wie ambitioniert: Es braucht dringend eine neue Lehr-, Lern- und Prüfungskultur. Eine sinnvolle Veränderung gelingt nur durch übergreifende Kooperationen – innerhalb von Schulen und über bestehende Rollen- und Hierarchiegrenzen hinweg. Wichtig dabei ist eine horizontale und vertikale Vernetzung, in der nicht die schulischen Leitungskräfte allein für die Schulentwicklung zuständig sind. Ein Netzwerk also, in dem Schulleitungen und Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie die Schulaufsicht zu Wort kommen. Außerdem erfordert es neue Verbindungen zwischen den Schulen, die auch Schulaufsicht und -träger involvieren, um Wissen und Erfahrung zu teilen, und aus denen neue Ideen erwachsen können.

CoTransform schafft die nötigen Formate und Strukturen für übergreifenden Austausch, für Zusammenarbeit auf Augenhöhe und für geteilte Verantwortung.

Ziel ist eine gemeinschaftlich entwickelte Bildungsvision, die von bedarfsgerechten Fortbildungen begleitet wird und sich in konkreten Unterrichtsprojekten niederschlägt – mit unmittelbar spürbarer Wirkung im Schulalltag und mit Blick auf systemische Veränderung. Der Vortrag von Prof. Dr. Hauck-Thum endet mit der Einladung an die anwesenden Schulleitungen, sich gemeinsam auf diesen neuen Weg zu machen.

 

Gemeinsam den Wandel wagen 

Wenig später sind acht Heilbronner Grundschulen dieser Einladung gefolgt und versammeln sich in der aim mit ihren Schulleitungen, Lehrkräften, Schulrätinnen und -räten sowie dem CoTransform-Team zu einem großen Hackathon, einem partizipativen Format, das erste Antworten auf zentrale Fragen liefern soll: Wie sieht für mich eine Schule der Zukunft aus? Der Frühling liegt in der Luft und mit ihm ein Gefühl von Aufbruch. Es wird geträumt, diskutiert, geplant. 

Manche Beiträge erinnern an den unverdorbenen Idealismus junger Lehramtsstudierender kurz vor dem Referendariat – und das trotz der Grenzen pädagogischen Handelns, die den Teilnehmenden regelmäßig im Schulalltag begegnen. Klar ist: Schul- und Unterrichtsentwicklung neu zu denken ist sowohl Zumutung als auch Verheißung. Während des Hackathons wird schnell deutlich, dass die Zumutung in Form von gefühlter Mehrarbeit sich gemeinsam nicht nur besser ertragen lässt. Sie wird auch zur Motivationsquelle, wenn alle die Chance zur Veränderung und somit zur nachhaltigen Verbesserung der Lern- und Lehrprozesse ergreifen.

Kooperation braucht Haltung 

Auch im Projektteam von CoTransform Heilbronn wird eine Haltung des Miteinanders gelebt: Wir, Sarah Puchta von der LMU München und Leonie Lübben von der aim, bringen unsere Expertisen aus Wissenschaft und Management ein, agieren aber nicht in streng getrennten Rollen, sondern als eng verzahntes Team: Wir bringen Perspektiven zusammen, denken Projektorganisation und die damit verbundenen Fragestellungen und Inhalte ganzheitlich. Kooperation bedeutet für uns mehr als Abstimmung, sie bedeutet echtes, kokreatives Lernen. 

Die räumliche Distanz zwischen München und Heilbronn ist dabei kein Hindernis. Bereits hier zeigt sich, dass CoTransform eine tägliche Übung von Verbindung ist: in Videokonferenzen, bei regelmäßigen Projekttagen auf dem Bildungscampus und bei Schulbesuchen vor Ort. Was in dieser Zusammenarbeit gelingt, soll auch in den Schulentwicklungsprozessen handlungsleitend Realität werden. Etwa im fächerübergreifenden Unterricht, um zukunftsfähige Kompetenzen auszubilden und neue Wege des Lehrens und des Lernens zu erschließen.

 

Schulentwicklung als geteilte Aufgabe 

Mittlerweile laden die Schulen das CoTransform-Team regelmäßig zu sich ein, um Einblicke in ihren Alltag zu geben. In Einzelgesprächen wurden nach dem Hackathon jeweils individuelle Bedarfe und Ziele definiert. Daraus entwickelte sich eine Begleit- und Unterstützungsstruktur mit passgenauen Projekt-, Fortbildungs- und Entwicklungsangeboten. Ein Begegnungsraum entsteht, der die Impulse aus Forschung und Praxis dankbar annimmt und gleichzeitig erzeugt. Um aus dem Prozess langfristig lernen zu können, begleitet eine wissenschaftliche Evaluation das Projekt mit Fragebögen, Interviews und Gruppendiskussionen. Im Zentrum steht dabei: Was bewegt die Beteiligten während ihres Schulentwicklungsprozesses? Und was ermöglicht echte Transformation? 

Schon jetzt zeigt sich, dass passende Lösungswege in den Schulen sehr unterschiedlich aussehen. Ressourcen, Bedürfnisse und Zugänge weichen stark voneinander ab, sodass auch die Projektbegleitung immer individuell, flexibel und anpassungsfähig sein muss. Es gibt keine Blaupause, aber es gibt Inspiration.

 

Mut als gemeinsame Praxis 

Obwohl CoTransform Heilbronn erst am Anfang steht, sind bereits erste Erkenntnisse sichtbar: Es braucht Mut und Offenheit, neue, vielleicht unbekannte Wege zu gehen. Gerade dort, wo es keine Karte gibt. Vor allem dort, wo man glaubt, sich schon gut auszukennen. Das gemeinsame Ziel lautet, mit den Kindern eine möglichst bildungsgerechte, demokratische, digitale, sichere und lebenswerte Zukunft zu gestalten.

In den acht Heilbronner Schulen entstehen erste Projektideen, die zeigen, was möglich ist, wenn man mutig zusammen denkt:

 

🔵 Lernen im Lebensraum Wald 

Ein Projekt verbindet analoge Lebenswelten und Naturerfahrungen mit digitalem Arbeiten. Wöchentliche Unterrichtsgänge in den Wald und selbst produzierte Erklärfilme über Pflanzen und Tiere für eine gemeinsame Webseite führen Kinder kreativ und selbstbestimmt in die Kultur der Digitalität.

🔵 Nachhaltigkeit durch Schulgestaltung 

Der Schulgarten wird zum Lernobjekt im Rahmen von Bildung für nachhaltige Entwicklung. In Bau- und Pflanzenprojekten entstehen fächerübergreifende Lerngelegenheiten und eine Schule, die sich auch räumlich verändert.

🔵 Erzählen mit Robotern 

Ein humanoider Roboter unterstützt ein Sprachförderprojekt und wird in ein Projekt zum mündlichen Erzählen von Geschichten integriert. Kinder und Lehrkräfte lernen, Geschichten zu erzählen und Diskurskompetenz zu stärken.

🔵 Demokratie im roten Salon 

Mit dem roten Salon wird ein Format zur partizipativen, demokratisch geöffneten Schulentwicklung etabliert, das vom Schulleiter Micha Pallesche aus Karlsruhe entwickelt und erprobt wurde. So können alle – von Schülerinnen und Schülern über Schulträger bis hin zu außerschulischen Partnern – gemeinsam Visionen für ihre Schule ausarbeiten und umsetzen.

🔵 Schule als Quartier 

Schule öffnet sich als Ort des Zusammenlebens und lernende Gemeinschaft, z. B. über die Einbindung von lokalen Organisationen, Vereinen und transgenerationalen Strukturen – mit generationenübergreifenden Projekten und starken lokalen Netzwerken. 

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