Teenager, Smartphones und die Pubertät: Verstehen statt Verbieten

Teenager in der Pubertät haben keinen guten Ruf. Immer wieder wird über sie geschrieben und gejammert – manchmal müssen sie sich sogar als „Pubertier“ bezeichnen lassen. Ein wertschätzender Blick auf Heranwachsende? Häufig Fehlanzeige. Und das ist schade, denn sie benötigen vor allem eines: Verständnis.

Leonie Lutz ist Redakteurin, Bloggerin und war Digital Consultant für UFA Serial Drama. 2018 gründete sie „Kinder digital begleiten", ein Projekt, das Eltern bei der Mediennutzung ihrer Kinder unterstützt. Daraus entstand 2022 der SPIEGEL-Bestseller „Begleiten statt verbieten". Ihr neuer Ratgeber „Verstehen statt verlieren – Erste Hilfe für die Smartphone-Pubertät“ erscheint am 26. März 2025. 

In dieser prägenden Zeit auf dem Weg ins Erwachsenenleben ist nämlich unglaublich viel los. Das Gehirn gleicht einer langwierigen Großbaustelle, auf der kein Stein auf dem anderen bleibt. Körperliche und hormonelle Veränderungen machen Jugendlichen zu schaffen, Gefühle verändern sich und wirbeln durchaus auch emotionale Turbulenzen auf. Es beginnt ein langsamer Ablöseprozess von den Eltern, Freundschaften werden immer wichtiger. Außerdem ist da die Schule, die zusätzlich noch Konzentration, Mitwirken und Lernen einfordert. Ganz schön viel! Und als wäre das nicht alles schon genug, mischen in diesen Prozessen auch noch Smartphones mit.

Digitale Medien als Teil der Lebensrealität

Teenager vergleichen sich heute nicht mehr nur auf dem Schulhof oder innerhalb der Klassengemeinschaft miteinander, sie orientieren sich auch an Influencern im Netz. Sie zocken nicht mehr nur auf dem Fußballplatz, sondern am liebsten online. Smartphones sind ständige Begleiter und die Geräte wegzulegen ist gar nicht so einfach. Denn auch im digitalen Raum werden Glückshormone wie Dopamin und Oxytocin ausgeschüttet, wenn ein neues Game-Level geschafft ist oder in Gruppe gemeinsam Erfolge erzielt werden.  

Bis zum ersten Smartphone 2007 kamen Teenager ohne ständige Benachrichtigungen und Social Media durch die Pubertät. Heute sind ihre analogen und digitalen Lebenswelten untrennbar verschmolzen. Es ist deshalb besonders wichtig, dass wir Erwachsenen diese Tatsache verstehen und akzeptieren, um mit der Lebensrealität von Jugendlichen Schritt zu halten – anstatt eine Trennung zu fordern, die nicht mehr existiert. 

Verbote statt Verständnis?

Wie ich eingangs schrieb: Unsere Teenager benötigen in der Pubertät besonders viel Verständnis – und dazu gehört auch das Verständnis für den digitalen Raum. Australien will Social Media für Jugendliche unter 16 Jahren verbieten. Das mag auf den ersten Blick einleuchtend wirken, weil Influencer auf Heranwachsende auch einen gewissen Druck ausüben können. Und weil möglicherweise die Konzentrationsspanne leidet, wenn junge Menschen konditioniert werden, mit TikTok oder YouTube Shorts nur noch kurze Video-Inhalte aufnehmen zu können. Was die Debatte aber völlig auslässt: Viele junge Menschen haben durch Social Media Zugang zu Nachrichten. Social Media ist ihre Informationsquelle.  

Ich gehe mit bei einer Debatte, dass Tech-Konzerne mehr Jugendschutz umsetzen und Interaktionsrisiken minimieren müssen. Aber ein gänzliches Verbot bedeutet, dass Jugendlichen auch Austausch genommen wird, weil sie über Social-Media-Kanäle kommunizieren. Hier liegt wenig Verständnis für die Lebenswelt Heranwachsender vor, die Digitalität eben nicht per se unreguliert nutzen, sondern mit Apps und Anwendungen auch lernen, sich weiterbilden, kommunizieren.  Smartphones sind also nicht nur Unterhaltungsmedien, sie sind auch unverzichtbare Werkzeuge und Plattformen für soziale Interaktionen.  

Keine Frage: Kinder unter 13 Jahren sind bei Instagram, TikTok oder Snapchat gewiss nicht gut aufgehoben. Denn Cybermobbing, Cybergrooming oder der Kontakt zu pornografischen Inhalten sind reale Gefahren, die jeden Tag existieren und lauern. Übrigens auch auf WhatsApp – dieses soziale Netzwerk will Australien jedoch explizit nicht verbieten, genauso wenig wie YouTube. So sind wir nun wieder bei einer Verbotsdebatte anstatt beim Verständnis angekommen. Schade. Denn Verständnis würde bedeuten, dass wir Teenager aufklären, sie an die Hand nehmen, ihnen genau zeigen, worauf sie bei Social-Media-Inhalten achten müssen. Nur das führt schließlich zu Medienkompetenz – Verbot allein schafft das nicht.  

Wir können die Debatte also nutzen, es besser zu machen. Wir können mit einem verständnisvollen Blick auf die digitale Lebenswelt unserer Kinder schauen. Uns zeigen lassen, was sie gerne zocken. Und ja, auch mal mitspielen. Wir können uns vertraut machen mit Social Media und die Risiken und Gefahren mit Jugendlichen besprechen. Wir müssen aber auch unbedingt auf die Chancen blicken. Denn nur, wenn wir alle Aspekte realistisch aufzeigen, geben wir Teenagern Orientierung. Und die braucht es, um verantwortungsbewusst und kritisch mit digitalen Inhalten umzugehen.

Was Teenager wirklich brauchen

Teenager benötigen in der Pubertät Pädagogen wie Eltern, die sie sowohl in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung als auch im Umgang mit digitalen Medien begleiten. Eine offene Gesprächskultur steht dabei für Aufklärung und Prävention.  

Teenager brauchen 

  • verlässliche Informationen über digitale Risiken, die mit der Nutzung von Social Media verbunden sind. Dazu zählen Phänomene wie Cybermobbing, Cybergrooming und problematische Inhalte. Auch sollten Teenager frühzeitig lernen, wie sie sich selbst schützen können und welche Inhalte für sie nicht geeignet sind.  

  • Verständnis für ihre digitale Lebensrealität: Die Grenzen zwischen digitaler und realer Welt sind fließend. Fachkräfte können Eltern ermutigen, mit ihren Kindern über ihre digitale Lebenswelt zu sprechen und gemeinsam Regeln für die Mediennutzung zu erarbeiten. Ein Verständnis für die Herausforderungen, denen Jugendliche im digitalen Raum begegnen, ist entscheidend, um als Elternteil oder Fachkraft in schwierigen Situationen gut reagieren zu können. 

  • Empathie und Geduld: In der Pubertät können Jugendliche ihre Emotionen teils schwerer kontrollieren, was auch zu impulsiverem Verhalten oder auch Konflikten führen kann. Ein respektvoller Umgang und die Bereitschaft, zuzuhören, helfen dabei, das Vertrauen zu stärken und die Beziehung zu den Jugendlichen zu festigen. 

Mein Fazit: In der Pubertät passieren tiefgreifende Veränderungen. Diese nicht immer einfache Übergangsphase dürfen wir verständnisvoll begleiten – sowohl im Umgang mit digitalen Medien als auch in der sozialen und emotionalen Entwicklung. Verständnis, klare Grenzen und eine offene Gesprächskultur helfen, dass Teenager lernen, Verantwortung zu übernehmen und ihre Selbstständigkeit zu entwickeln.


Leonie Lutz auf der aim Biko 2025

Im Impulsvortrag „Sucht oder Support? Social Media und die GenZ“ nimmt Leonie Lutz uns gemeinsam mit Anika Osthoff mit in die digitale Welt junger Menschen. Sie hinterfragen gängige Mythen rund um Social Media, beleuchten Chancen und Risiken und geben Denkanstöße für einen reflektierten Umgang mit digitalen Medien.

Mehr unter www.aim-biko.de

Lesen Sie hier weitere Beiträge von Leonie Lutz

Jetzt zum aim Newsletter anmelden