Pädagogische Qualität in Kitas stärken – Impulse durch Weiterbildung, Evaluation und Zertifizierung
Beitrag von Professor Dr. phil. Stefan Faas
Prof. Dr. phil. Stefan Faas ist Professor für Sozial- und Kindheitspädagogik sowie Leiter des Zentrums für Qualitätsforschung und Monitoring in der Kinder- und Jugendhilfe (ZQM) an der PH Schwäbisch Gmünd und wissenschaftlicher Vorstand der pädquis Stiftung Berlin.
In aktuellen fachwissenschaftlichen und fachpolitischen Debatten um die Qualität von Kindertageseinrichtungen wird dem pädagogischen Personal bzw. seiner Qualifikation eine Schlüsselrolle zugewiesen. Das Projekt „Qualität durch Weiterbildung“ der aim setzt hier an und bietet den teilnehmenden Leitungen von Kindertageseinrichtungen eine spezifische, auf ihre jeweilige Situation vor Ort bezogene Qualifizierung. Ziel ist die systematische Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität in den beteiligten Kindergärten und Krippen.
Zur Untersuchung der Effekte des Weiterbildungsangebots wird eine Wirkungsstudie im Warte-Kontrollgruppen-Design durchgeführt. Begleitend findet eine Implementierungsstudie statt. Im Rahmen der Studie sollen sowohl die Bedingungen als auch die Strategien der beteiligten Kindertageseinrichtungen zur Umsetzung spezifischer Weiterbildungsinhalte erhoben werden. Hintergrund des Projekts ist die empirisch belegbare Bedeutung der pädagogischen Qualität von Kindertageseinrichtungen für die Entwicklung von Kindern und die Unterstützung der Erziehungs- und Bildungsleistungen von Familien. Nationale und internationale Studien weisen in dieser Hinsicht kurz-, mittel- und langfristige Effekte von Erziehung, Bildung und Betreuung in qualitativ guten Kindertageseinrichtungen nach. Jene Studien nehmen dabei Bezug auf ein breit anerkanntes Struktur-Prozessmodell pädagogischer Qualität, das die „Blackbox“ außerfamilialer Betreuungssettings in verschiedene Merkmalsbereiche auflöst und pädagogische Qualität in ihren unterschiedlichen Dimensionen und Facetten beschreibbar und untersuchbar macht. Es zeigt damit konkrete Ansatzpunkte für eine wirkungsorientierte Qualitätssteuerung auf (Abb. 1).
Die Orientierungsqualität bezieht sich auf die Einstellungen und das Wissen pädagogischer Fachkräfte, das heißt auf ihr Bild vom Kind, ihre Auffassungen über Bildung und Entwicklung von Kindern, über Erziehungsziele und Erziehungsmaßnahmen, über die Aufgaben von Familie und Kindertageseinrichtung etc. In kollektivierter Form sind solche Orientierungen zum Beispiel in Einrichtungskonzeptionen und Leitlinien des Trägers festgehalten. Wenn auch die empirische Datenlage zur Bedeutung der Orientierungsqualität als Voraussetzung für pädagogisches Handeln noch eingeschränkt ist, lassen verschiedene Studien Zusammenhänge mit der Prozessqualität erkennen. Die Strukturqualität umfasst dagegen die Rahmenbedingungen pädagogischer Praxis, die vorwiegend von der Politik, zum Teil aber auch vom jeweiligen Einrichtungsträger geregelt werden. Sie schließt Merkmale wie das Ausbildungsniveau pädagogischer Fachkräfte, aber auch die ihnen zugestandene Vor- und Nachbereitungszeit, Regelungen zur Freistellung der Leitung, Merkmale wie Gruppengröße, Fachkraft-Kind-Relation sowie räumlich-materiale Aspekte etc. mit ein.
„Das Ziel des Projekts „Qualität durch Weiterbildung“ ist die systematische Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität in den beteiligten Kindergärten und Krippen.“
Prof. Dr. phil. Stefan Faas
Zahlreiche empirische Untersuchungen können einen klaren Zusammenhang zwischen solchen Strukturmerkmalen und der Qualität pädagogischer Prozesse bestätigen. Die Prozessqualität beschreibt die „proximalen“ Merkmale von Erziehung, Bildung und Betreuung in früher Kindheit, das heißt, sie ist – im Gegensatz zur Orientierungs- und Strukturqualität – direkt von den betreuten Kindern zu erleben. Sie bezieht sich auf die Dynamik des pädagogischen Geschehens, den Umgang mit den Kindern, auf konkrete Anregungen, Interaktionen, Aktivitäten und Erfahrungen, die das Kind tagtäglich in der Kindergruppe mit der pädagogischen Fachkraft, den anderen Kindern und seiner räumlich-materialen Umwelt macht.
Die Qualität des Familienbezugs kann als Teil der Prozessqualität verstanden werden, der sich auf die Passung zwischen dem pädagogischen Angebot der Kindertageseinrichtung und den Bedürfnissen und Lebensrhythmen der Familien der betreuten Kinder bezieht. Sie schließt die konkrete Zusammenarbeit zwischen der Kindertageseinrichtung und den Familien der Kinder sowie die Mitwirkungsmöglichkeiten für Eltern mit ein. Die pädagogische Prozessqualität einer Kindertageseinrichtung ist damit der zentrale Faktor in Hinsicht auf die Entwicklung von Kindern und ihrem späteren Bildungserfolg. Ergänzend zu diesen drei zentralen Qualitätsdimensionen ist die Leitungsqualität zu nennen. Je nachdem, wie bestimmte Merkmale pädagogischer Leitung ausgeprägt sind, wirkt sich dies in spezifischer Weise positiv oder auch negativ auf die pädagogische Prozessqualität und die Zusammenarbeit mit den Eltern aus.
Teamqualifizierungen für Bildungseinrichtungen
Die aim bietet exklusive Weiterbildungsangebote für pädagogische Teams an und
unterstützt beim direkten Transfer der vermittelten Maßnahmen in die Einrichtungspraxis um
nachhaltige Veränderungsprozesse in ihrer Bildungseinrichtung anzustoßen.
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„Nicht zuletzt über Weiterbildung und Trainings frühpädagogischer Fachkräfte und ganzer Teams wird deshalb versucht, die Qualität von Interaktionen und pädagogischen Prozessen zu verbessern – mit dem Ziel, günstigere Entwicklungsoutcomes bei den Kindern zu erzielen.“
Prof. Dr. phil. Stefan Faas
Nicht zuletzt ist die Kontextqualität zu berücksichtigen, die sich unter anderem auf die in einem Stadtteil, einer Gemeinde oder einem Viertel gegebene Qualität der Beziehungsstrukturen, sozioökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen, professionellen und bürgerschaftlichen Bildungs- und Hilfeangebote etc. bezieht. Angesichts der großen Bedeutung pädagogischer Prozessqualität für die kindliche Entwicklung ist die Frage ihrer Weiterentwicklung zentral. Nicht zuletzt über Weiterbildung und Trainings frühpädagogischer Fachkräfte und ganzer Teams wird deshalb versucht, die Qualität von Interaktionen und pädagogischen Prozessen zu verbessern – mit dem Ziel, günstigere Entwicklungsoutcomes bei den Kindern zu erzielen. Wenn auch Studien zur Wirksamkeit solcher Interventionen noch rar sind, ist die Frage „Does training matter?“ generell zu bejahen. Positive Effekte dürften jedoch maßgeblich von der Art und Weise des jeweiligen Trainings, seiner Struktur, Form und Dauer abhängen.
Ergebnisse empirischer Evaluationsstudien legen nahe, dass Weiterbildungen insbesondere dann messbare Veränderungen nach sich ziehen, wenn sie konkrete Handlungspraktiken vermitteln und deren Umsetzung im Alltag systematisch durch entsprechende Beratungs- oder Coachingangebote begleitet wird. Dabei können externe Evaluationen bzw. ein systematisches Qualitätsmonitoring sowie Zertifizierungsverfahren die Implementierung von Qualitätsstandards in der pädagogischen Praxis unterstützen. Das eingangsgenannte Kooperationsprojekt verbindet diese verschiedenen Aspekte miteinander.