Medienkompetenz und Medienzeit für Kinder
Mehr produzieren statt konsumieren
Leonie Lutz ist Redakteurin und seit 2003 im Online-Bereich tätig. Bis Ende 2013 war sie Digital Consultant für UFA Serial Drama, seit 2014 ist sie Bloggerin. 2018 gründete sie „Kinder digital begleiten", ein Projekt, das Eltern bei der Mediennutzung ihrer Kinder unterstützt. Daraus entstand 2022 der SPIEGEL-Bestseller „Begleiten statt verbieten". Am 25. März 2023 stand sie gemeinsam mit weiteren Expertinnen und Experten auf dem Podium der aim Biko und diskutierte zum Thema „Wir leben alle in einer digitalen Welt, oder?!". Seit 2023 ist sie aim-Botschafterin für „Die Gesetze des Schulerfolgs".
In meiner Arbeit mit Familien stelle ich immer wieder fest, dass Kinder und Jugendliche bei der Nutzung digitaler Geräte häufig nicht begleitet werden. So stehen Tablets und Smartphones meist für Kommunikation, insbesondere aber für den Konsum von Videos oder das Zocken von Spielen. Beigebracht wird Kindern aber viel zu selten, was die Geräte eben auch sind: wunderbare Werkzeuge. Und das dürfen und sollten junge Menschen ebenfalls lernen! Dazu benötigen sie Input von Erziehenden oder pädagogischen Fachkräften. Sie müssen wissen, mit welchen Apps und Anwendungen sie selbst zu Gestalterinnen und Gestaltern werden. Sie lernen auf dem Weg dorthin grundlegende Gerätekompetenzen und auch, bewusster mit digitalen Medien umzugehen. Diese Skills sind Grundpfeiler, wenn es darum geht, eine gesunde Balance zwischen Online- und Offline-Aktivitäten zu erreichen.
Digitales im Kita-Alter
Wie wir digitale Anwendungen sinnvoll nutzen, lässt sich schon mit Kindern im Kita-Alter entdecken. So können mit der App „Flora Incognita“ beim Waldausflug Pflanzen und Bäume bestimmt werden. Hält man die Entdeckungen fotografisch via Tablet oder Smartphone fest und bündelt die Informationen auf einer digitalen Pinnwand wie „Padlet“, begreifen schon kleinere Kinder, wie digitale Geräte als Werkzeug und nicht nur für Youtube-Videos genutzt werden können. Gewiss benötigen sie die Unterstützung Erwachsener, aber fotografieren und filmen können auch schon Vorschulkinder.
Großartig ist auch die App „Fiete Bastelversum“. Hier basteln die Jüngsten mit Schere, Stift und Papier ihre Lieblings-Zoo-Tiere. Das Gebastelte wird danach via Foto in die App geladen, Kinder können jedem Tier ein Geräusch zuordnen und nach und nach entsteht ein digitaler Zoo am digitalen Gerät, dem aber viele analoge Prozesse vorausgegangen sind.
Für Kinder ab dem Grundschulalter empfehle ich die App „Stop Motion Studio“, eine Form der Legetrickfilme, bei der von einem Objekt viele Einzelbilder gemacht werden. Auch hier macht den Anfang ein analoger, haptischer Teil, denn um eine Szenerie zu schaffen, benötigt es ein Objekt: Lego eignet sich wunderbar dafür. Ist das Bauwerk fertig, kommen die Minifiguren zum Einsatz. Mithilfe der App wird nun jedes Mal, wenn die Lego-Figuren ihre Position ändern, ein Foto gemacht. Am Ende setzt die App alle Einzelbilder zusammen und im daraus entstehenden Film wirken die Minifiguren so, als würden sie sich bewegen. Der Film kann von den Kindern mit Musik hinterlegt und auf dem eigenen Gerät gespeichert oder weitergeleitet werden.
Kinderleicht Podcasts und Hörspiele erstellen
Eine Möglichkeit, Grundschülerinnen und Grundschülern Tablets und Smartphones als Werkzeuge nahezubringen, ist die App „Audio Adventure“ vom Berliner Start-up „Fox & Sheep“. Hier können Podcasts oder Hörspiele erstellt und mit verschiedenen Sound-Effekten versehen werden. Meine Tochter hat in der App einen Witze-Podcast angelegt. Sie sucht sich aus den Witzebüchern ihre Lieblingswitze raus und schreibt diese in ein Notizbuch. Hat sie alle Witze beisammen, spricht sie die Witze nach und nach in die App ein, nutzt die vorgeschlagenen Geräusche und unterlegt alles mit einem Musikbett. Den fertigen Podcast kann sie schließlich speichern oder auch via E-Mail teilen. Ich kenne Familien, die mit dieser App schon Hörspiele für die Großeltern aufgenommen haben, damit diese so am Familienalltag teilnehmen können.
Kinder, die die weiterführende Schule besuchen, haben häufig schon gute Gerätekompetenzen, verfügen aber weniger über Medienkompetenz. Dabei braucht es sie dringend, besonders wenn Kinder die Geräte autark nutzen. Falschnachrichten erkennen und bewerten zu können, gehört zu einer der wichtigsten Kompetenzen unserer Zeit. Laut KIM-Studie 2022 sieht sich etwa jedes vierte Kind regelmäßig Videos auf TikTok an. Eine Plattform, auf der es besonders wichtig ist, Jugendliche bei der Nutzung zu begleiten, da viele Falschinformationen und bewusst propagandistische Inhalte geteilt werden. Die EU-Kommission hat im Februar 2024 eine Untersuchung gegen TikTok eingeleitet. Mit älteren Schülerinnen und Schülern kann man den Wahrheitsgehalt von TikTok-Videos gezielt recherchieren. Zum Beispiel zum Thema Klimawandel. Die Ergebnisse, die TikTok dazu ausspuckt, haben kaum Ähnlichkeiten mit den Erkenntnissen, die Jugendliche im Archiv des Portals „Deutsche Digitale Bibliothek“ finden können. Fake News entlarven will gelernt sein!
Manchmal lernt aber auch die Peergroup von der Peergroup: Auf dem öffentlich-rechtlichen TikTok-Kanal @f.im.chat werden Jugendliche über Social Media, Gefahren und Risiken aufgeklärt. Übrigens auch für Erwachsene sehenswert, denn der Kanal gibt einen spannenden Einblick in die digitalen Stolpersteine von Jugendlichen.
Wir Erwachsenen müssen keine Internetexpert/-innen sein, um unsere Kinder im Internet zu unterstützen. Aber wir können es werden. Das macht Begleitung möglich – und diese sorgt für mehr digitale Achtsamkeit in der ganzen Familie.
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