Kreativ und selbstbestimmt: Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung

Bildung und Erziehung finden heute in einer Welt des schnellen sozialen, kulturellen und technischen Wandels statt. Dieser Wandel hat viele Ursachen und beeinflusst unser Leben auf vielfältige Weise. Digitale Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie mehr erfordern als nur technische Neuerungen – sie beeinflussen unser tägliches Leben und Lernen. Pädagogisches und speziell frühpädagogisches Handeln ist dabei auf zwei unterschiedlichen Ebenen betroffen: direkt, indem digitale Medien die Art und Weise der Kommunikation und Zusammenarbeit verändern (z. B. in der Verwaltung und der Zusammenarbeit mit Eltern), und indirekt, indem sie die Ziele und Aufgaben der pädagogischen Arbeit beeinflussen. Digitale Medien müssen also zunehmend als normaler Bestandteil kindlicher Lebenswelten und damit als Rahmenbedingungen von Erziehung und Bildung verstanden werden.  

Daraus ergibt sich ein erweiterter Bildungsauftrag mit speziellen Anforderungen an pädagogische Fachkräfte und ihre Qualifizierungen. Sie sollen im Idealfall Kinder im Umgang mit digitalen Medien unterstützen, Medienbildung bei der Bearbeitung verschiedener Lern- und Bildungsthemen alltagsintegriert umsetzen sowie gleiche Teilhabechancen für alle ermöglichen. Medienbildung legt wichtige Grundlagen für eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und kann langfristig Bildungserfolge und die soziale Integration fördern. Konkret sollen Kinder also befähigt werden, souverän mit digitalen Medien umzugehen, und bestärkt werden, sich als aktiv Gestaltende der (digitalen) Welt zu begreifen und zu erleben. 

Das Thema der frühkindlichen Medienbildung ist nicht gänzlich neu, entfaltet aber im Zuge des digitalen Wandels eine neue Dynamik – nicht zuletzt auch durch die Auseinandersetzung mit digitalen Lösungen in der Bildung während der Pandemie. In der pädagogischen Arbeit mit Kindern besteht weiterhin Entwicklungsbedarf, und genauso wie die angemessene technische Ausstattung sind vor allem passende Konzepte und konkretes Praxiswissen notwendig, die in Weiterbildungen an pädagogische Fachkräfte vermittelt werden. Diese sollen dabei nicht nur zeitgemäße Kompetenzen erwerben, sondern auch Vorbehalten und Berührungsängsten begegnen und diese abbauen.

Shauna Buchholz & Prof. Dr. Stefan Faas

Prof. Dr. Stefan Faas ist Professor für Sozial- und Kindheitspädagogik sowie Leiter des Zentrums für Qualitätsforschung und Monitoring in der Kinder- und Jugendhilfe (ZQM) an der PH Schwäbisch Gmünd und wissenschaftlicher Vorstand der pädquis Stiftung Berlin. 

Shauna Buchholz ist staatlich anerkannte Kindheitspädagogin, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der pädquis Stiftung und leitet das Programm Kinder Medien Alltag. Für das Kooperationsprojekt von aim und pädquis Stiftung hat sie die Kursinhalte maßgeblich ausgestaltet. Sie betreut als Programmleiterin sowohl den Qualifizierungslehrgang für Kita-Tandems als auch die Qualifizierungen für ganze Kita-Teams vor Ort.

Lernen mit, durch und über Medien

Digitale Medien bieten vielfältige Möglichkeiten, die Neugier und Entdeckerfreude von Kindern zu wecken und ihnen zu helfen, ihre Umwelt zu erkunden. Sie können als Inhalte, Werkzeuge zur Erschließung der Welt sowie als Wissensquelle kindliche Bildungs- und Lernprozesse anregen und erweitern. Kinder sollten daher die Möglichkeit haben, digitale Medien vielseitig und kreativ zu kennen und zu nutzen. Medienbildung bedeutet nicht nur, medienpädagogische Fähigkeiten zu erwerben, sondern auch, die Sinnzusammenhänge in den Lebenswelten der Kinder zu verstehen.

Vor diesem Hintergrund kann das Lernen mit, durch und über Medien in der frühen Kindheit – besonders in einem partizipativen und kreativ-produktiven Umgang – ein spezifisches Bildungspotenzial entfalten. Folgende Aspekte sind dabei wichtig: Kindern die Funktionsweisen und einen reflektierten Umgang mit digitalen Medien zu zeigen, sie diese aber auch eigenständig und kreativ entdecken und nutzen zu lassen sowie sie zur Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt in diesem Zusammenhang anzuregen. Im Mittelpunkt steht nicht das Medium an sich, sondern das Kind mit seiner individuellen Persönlichkeit, seiner jeweiligen Lebenswelt und seinen Interessen, Themen und Entwicklungsaufgaben.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich in der medienpädagogischen Arbeit mit Kindern drei Aneignungsweisen. Diese beinhalten verschiedene kindliche Zugangsarten zur Mediennutzung und können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden:

Mit digitalen Medien Neues entdecken

Kinder setzen sich durch Experimentieren, Beobachten und Gestalten aktiv mit ihrer Welt auseinander und verarbeiten die dabei ihre Erfahrungen. Digitale Medien bieten ihnen zahlreiche Möglichkeiten, eigenständig und interessengeleitet Neues aufzuspüren. Sie sind besonders förderlich für kindliche Lern- und Bildungsprozesse, wenn sie die kindliche Neugier am Entdecken und kreativen Gestalten unterstützen und Impulse für neue, erweiterte Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten geben. Kameras, Mikrofone oder Mikroskope ermöglichen Kindern beispielsweise, interessante, ästhetisch ansprechende, aber auch irritierende Aspekte ihrer Umwelt genauer zu betrachten und festzuhalten. Dabei lernen sie, diese als Werkzeuge für ihre eigene Fragestellungen zu nutzen und ihre Umgebung forschend zu hinterfragen. Fotos, Film- und Audioaufnahmen können als Erinnerungs- und Erzählhilfen eingesetzt werden und als Archive biografischer Erfahrungen helfen, Erlebnisse aufzugreifen, einzuordnen und zu besprechen. Eine aktiv gestalterische Medienarbeit bietet vielfältige Möglichkeiten, um Bedürfnisse, Erfahrungen und Interessen mittels digitaler Medien auszudrücken und zu verarbeiten.

Durch digitale Medien Wissen aneignen und die Welt verstehen

Digitale Medien können Kinder dabei unterstützen, ihren Interessen nachzugehen, sich in der Welt zu orientieren, Empathie zu entwickeln, spielerisch zu lernen, aber auch in Fantasiewelten zu reisen und Spaß zu haben. Kurze Filme, Bücher, Apps, Hörmedien oder kindgerechte Internetseiten können als Wissensquellen dienen, um individuelle Fragen und Themen aufzugreifen und zu beantworten. Digitale Medieninhalte sind besonders gut geeignet, um frühkindliche Lernprozesse anzuregen, da sie jederzeit wiederholt, selbsttätig und dem individuellen Lerntempo entsprechend genutzt werden können. Insbesondere für mehrsprachig aufwachsende Kinder bieten sie unterschiedliche Sinneszugänge zur Unterstützung und Veranschaulichung von Inhalten, teilweise auch einen emotionalen Zugang zu Themen, was das Verständnis erleichtern kann. Sie können sowohl als didaktisches Werkzeug zur Bearbeitung und Entdeckung verschiedener Bildungsbereiche als auch zur gezielten Entwicklung einer altersgemäßen Medienkompetenz eingesetzt werden.

Fazit

In der pädagogischen Praxis kann Medienbildung durch entdeckendes Lernen in den Alltag eingebunden werden, um Kinder dazu zu ermutigen, digitale Medien als Werkzeuge zu nutzen und selbstbestimmt und kreativ die Welt und ihre Welterfahrung zu gestalten. Medienbildung sollte nicht isoliert betrachtet werden – sie lässt sich als Querschnittsaufgabe mit vielen Bereichen der frühkindlichen Bildung verknüpfen. Dies wird auch im aktuellen und erweiterten Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) hervorgehoben. Auch wenn der gemeinsame Rahmen kein verbindliches Dokument für die Ausgestaltung pädagogischer Praxis darstellt, zeigt er die große Bedeutung digitaler Medien aus bildungspolitischer Sicht. In einigen Bundesländern werden aktuell Bildungspläne überarbeitet, und sehr wahrscheinlich wird dort in Zukunft digitale Medienbildung stärker verankert sein.

Momentan fehlen häufig noch konkrete Konzepte, wie digitale Medien nachhaltig in die Praxis integriert werden können, genauso wie gezielte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für pädagogische Fachkräfte. Hier setzt das Programm „Kinder Medien Alltag“ der aim in Kooperation mit der pädquis Stiftung an: Es stellt das Thema frühkindliche Medienbildung mit dem Ziel in den Mittelpunkt, Kindertageseinrichtungen durch Weiterbildung, Qualitätsmonitoring und Coaching zu Bildungsorten weiterzuentwickeln, die Kindern vielfältige Erfahrungen und Lerngelegenheiten im Umgang mit digitalen Medien ermöglichen. Digitale Achtsamkeit wird so schon bei den Kleinsten gefördert: Kinder lernen, Medien bewusst und verantwortungsvoll zu nutzen sowie gesunde Mediengewohnheiten zu entwickeln.

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