Heilbronner Mathe Sommer: Mit Spaß und Spiel zu besseren Mathekenntnissen

Prof. Dr. Sebastian Wartha ist Hochschullehrer an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA) und leitet dort unter anderem die Beratungsstelle Rechenstörungen. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen bei Kindern mit sogenannten Rechenschwierigkeiten – also denjenigen, die Probleme haben, sich etwas unter Zahlen und Rechenoperationen vorzustellen. Um vom Mathefrust zur Mathefreude zu kommen, hat er in Karlsruhe maßgeblich den Mathe Sommer mitentwickelt: Eine Sommerschule, die Grundschulkinder spielerisch an zentrale mathematische Inhalte heranführt und ihnen langfristig ein positiveres Selbstbild in Bezug auf Mathe vermittelt.

In Kooperation mit der aim fand Anfang September auf dem Bildungscampus der 1. Heilbronner Mathe Sommer statt. Wie die Projektwoche für die 30 teilnehmenden Grundschulkinder aussah und warum mathematische Basiskompetenzen wichtig sind, erklärt Prof. Wartha im Kurzinterview. 

Welche besonderen Herausforderungen haben Grundschulkinder mit Rechenschwierigkeiten?

Kindern mit Rechenschwierigkeiten fehlen die Grundlagen, die in der Mathematik eine wichtige Rolle spielen, da alles stark aufeinander aufbaut. Wer den Zahlenraum bis 10 nicht flexibel verarbeiten kann, wird auch im Zahlenraum bis 100 oder 1000 Schwierigkeiten haben. Die Kinder neigen dazu, sich durch Zählprozesse zu behelfen. Das bringt sie zwar oft zu richtigen Ergebnissen, hilft ihnen aber nicht wirklich dabei, die Beziehungen zwischen den Zahlen zu verstehen. Diese Fähigkeit zu beherrschen ist aber wichtig, um im Leben mündige Entscheidungen treffen zu können. An der Supermarktkasse, in der Bank, bei der Gehaltsverhandlung für den nächsten Job. Eine Aufgabe wie „501 minus 499“ kann so schnell zu einem endlosen Zählprozess führen, obwohl der Unterschied leicht als 2 erfasst werden könnte. 

Leider machen Kinder in solchen Situationen sehr früh eine Erfahrung, die sich massiv auf das Selbstbild auswirkt: Das kann ich nicht, und bevor ich etwas Falsches sage, sage ich lieber gar nichts. Sie verlieren damit auch das Interesse, etwas auszuprobieren. Aber in Mathe muss man Fehler machen, muss Dinge erproben – Fehler gehören zum Lernprozess und sollten nicht vermieden, sondern ganz bewusst angesteuert werden. Das gilt im Prinzip ja für das ganze Leben. In Mathe können wir das gut üben, denn wenn es dort nicht klappt bei einer Aufgabe, dann muss ich es eben ein zweites oder drittes Mal probieren oder einen anderen Weg finden. Die Bereitschaft und Offenheit dafür wollen wir beim Mathe Sommer gezielt herauskitzeln und fördern. 

Wie gestaltet sich der Förderansatz und wie profitieren Kinder davon langfristig? 

Wir holen die Kinder dort ab, wo sie aktuell stehen – sowohl was ihr Wissen als auch ihre Einstellung zur Mathematik betrifft. Die Kleingruppen während des Mathe Sommers bestehen aus 6 Kindern. Diese Größe ermöglicht uns, sehr individuell auf die Bedürfnisse jedes Kindes einzugehen. Spielerische Übungen und gezielte Lernstrategien helfen den Kindern, grundlegende mathematische Konzepte zu verstehen. Genauso wichtig ist uns dabei, dass die Kinder gleichzeitig ein gestärktes Selbstbewusstsein entwickeln: Sie sollen erkennen, dass sie in Mathe mitmachen und Erfolge erzielen können, wenn sie sich anstrengen. Diese Erfahrung trägt sie auch nach der Förderwoche weiter. 

Die langfristige Wirkung sehen wir darin, dass die Kinder nicht nur konkrete Inhalte mitnehmen, sondern auch das Vertrauen, dass sie Mathematik bewältigen können. Und dabei sogar Spaß haben!
Gerade wenn es in der Schule mal zu Mathefrust kommt, können sie sich darauf besinnen, dass sie in der Lage sind, in Mathe mitzureden und mitzurechnen. 

Wie sieht ein typischer Fördertag während des Mathe Sommers aus? 

Die Kinder starten um 9 Uhr gemeinsam in den Tag. In ihren Kleingruppen werden sie von zwei Personen begleitet und unterstützt: einer ausgebildeten Matheförderkraft der aim sowie einem bzw. einer Lehramtsstudierenden der PHKA. Diese arbeiten in spielerischen Formaten mal mit einzelnen Kindern, mal mit allen zusammen. Viele Kinder kennen bestimmte Formate bereits und können auch zu zweit spielen, ohne dass jemand dabei sein muss. Weil das auch anstrengend für die kleinen Gehirne ist, können sich die Kinder in der Pause am Buffet aus Obst, Gemüse und Getränken bedienen, bevor wir bis 12 Uhr in die zweite Runde gehen und danach alle zusammen den Mathe Sommer Tag beenden. 

Zum Abschluss des Tages gibt es eine Reflexionsrunde, in der die Kinder gefragt werden: „Was hat dir heute gefallen, und was hat dir nicht so gut gefallen? Was hast du gelernt? Was wünschst du dir für morgen?“ So vermitteln wir den Kindern auch, dass sie aktiv an ihrem Lernprozess beteiligt sind – ein Ansatz, der nicht nur für Mathe, sondern für viele Lebensbereiche wichtig ist. 

Wie geht es weiter mit dem Heilbronner Mathe Sommer? 

Wir planen, den Heilbronner Mathe Sommer im nächsten Jahr fortzusetzen, weil wir gesehen haben, wie positiv die Kinder darauf reagieren. Die Kleingruppenförderung und der Fokus auf spielerisches Lernen bieten eine hervorragende Möglichkeit, Mathematik in einem positiven Umfeld zu vermitteln, in dem alle voneinander lernen. Die Lehramtsstudierenden und Matheförderkräfte sammeln in diesem Rahmen schließlich auch wertvolle Praxiserfahrung. Die Kooperation zwischen der PHKA und der aim möchten wir sehr gerne weiter vertiefen, um sicherzustellen, dass die Förderung von Rechenschwierigkeiten weiterhin praxisnah und innovativ bleibt.

Vielen Dank an Prof. Wartha für das Interview. Auch wir in der aim freuen uns auf den Heilbronner Mathe Sommer 2025, der erneut Grundschulkinder dabei unterstützen wird, mit mehr Freude und Selbstvertrauen in das neue Schuljahr zu starten. Mehr Informationen dazu finden Sie auch im Artikel der Heilbronner Stimme