Freispiel als Lernmotor: Wie Kinder durch Spielen wachsen

Barbara Weber-Eisenmann ist Kita-Leitung, Autorin und Mutter einer Tochter im Kindergartenalter. Für unsere aim-Blicke schreibt sie als aim-Botschafterin regelmäßig zu Themen der frühkindlichen Bildung. Ihr Fokus liegt dabei auf der bedürfnisorientierten Pädagogik.  
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„Kinder spielen ja nur den ganzen Tag.“ Nur? Viele Erwachsene unterschätzen das Spiel als bloße Freizeitbeschäftigung. Doch tatsächlich ist es weit mehr als das – Spielen ist ein fundamentales Kinderrecht, wie es in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt ist. Spielen ist quasi die Arbeit der Kinder – und das Freispiel ist dabei ein zentrales Element der kindlichen Entwicklung.  Es bietet Kindern die Möglichkeit, sich frei zu entfalten, eigene Ideen umzusetzen, wichtige Kompetenzen für ihr weiteres Leben zu erwerben und ist so viel mehr als einfach „nur Spielen”. 

Warum ist Freispiel so wichtig? 

Freispiel bedeutet, dass Kinder selbstbestimmt entscheiden, womit, mit wem und wie lange sie sich beschäftigen möchten. Dabei folgen sie ihren eigenen Interessen und erproben ihre Fähigkeiten.  

Im Freispiel erkunden sie eigenständig ihre Welt, sie lernen, sie zu gestalten und zu verstehen. Es fördert die Kreativität, indem Kinder ihre eigenen Spielideen entwickeln, Räume und Materialien erkunden sowie Lösungsstrategien bei Herausforderungen finden. Gleichzeitig stärkt es soziale Kompetenzen, da Kinder im freien Spiel mit anderen lernen, Konflikte zu lösen, Kompromisse einzugehen und sich innerhalb einer Gruppe zu behaupten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Förderung von Eigenverantwortung und Selbstständigkeit: Kinder erleben, dass sie selbstwirksam sind und Entscheidungen treffen können. In der Interaktion mit anderen übernehmen sie zudem Verantwortung für ihr Handeln. 

Das Freispiel bietet auch eine wichtige Möglichkeit zur Stressreduktion, da es den Kindern Raum für Entspannung und Selbstbestimmung in einem oft durchgetakteten Alltag schafft. Es ermöglicht eine bedürfnisorientierte Entwicklung, indem Kinder ihren eigenen Interessen folgen und dabei persönliche Stärken und Talente entdecken können. In dieser nicht fremdbestimmten Situation haben sie die Freiheit, sich individuell zu entfalten. Darüber hinaus trägt das Freispiel zur emotionalen Stabilität bei, da Kinder dabei Erlebnisse und Gefühle spielerisch verarbeiten können. Besonders im Außenbereich unterstützt das freie Spiel außerdem die Bewegungsfreude, indem es Kindern erlaubt, ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachzugehen.

Wie kann Freispiel im Kita-Alltag gelingen? 

Damit Freispiel seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es bewusst gestaltete Rahmenbedingungen:

1. Zeit für freies Spiel einplanen

Ein wichtiger erster Schritt ist die Schaffung regelmäßiger Zeitfenster im Tagesablauf, die ausdrücklich für das Freispiel reserviert sind. Diese Phasen sollten ausreichend lang sein, damit die Kinder tief in ihr Spiel eintauchen können. Übergangszeiten, wie etwa beim Ankommen oder nach dem Mittagessen, eignen sich wunderbar, um den Kindern Möglichkeiten für freies Spiel zu bieten.

2. Räume anregend gestalten

Ein durchdachter Kita-Raum regt die Fantasie an und unterstützt eigenständiges Spielen.  Unterschiedliche Themenräume oder –ecken, z. B. ein gut ausgestatteter Bau- und Konstruktionsbereich, eine gemütliche Leseecke oder ein Bereich für Rollenspiele, können dabei unterschiedliche Interessen der Kinder ansprechen. Ergänzend dazu lädt eine abwechslungsreiche Materialvielfalt die Kinder dazu ein, kreativ zu werden, sich mit verschiedenen Spielsachen und Gegenständen auseinanderzusetzen und für ihr persönliches Spiel umzufunktionieren. Natürliche Materialien wie Holz, Tücher oder Alltagsgegenstände sind hier besonders inspirierend.

3. Erwachsene als begleitende Beobachter:innen

Während des Freispiels ist es wichtig, dass Erwachsene sich bewusst zurückhalten. Fachkräfte sollten den Kindern Raum für eigene Entscheidungen geben und lediglich beobachten oder unterstützend eingreifen, wenn dies erforderlich ist, ohne sich aktiv in das Spiel einzumischen – es sei denn, sie werden von den Kindern zur aktiven Teilnahme im Spiel eingeladen.

Die Vorteile von Freispiel für alle Beteiligten 

Das Freispiel bringt vielfältige Vorteile sowohl für die Kinder als auch für die Fachkräfte mit sich. Für die Kinder bietet es Raum zur Entfaltung, Kreativität und Selbstständigkeit. Fachkräften ermöglicht das Freispiel wertvolle Beobachtungen, durch die sie die Interessen, Bedürfnisse und sozialen Interaktionen der Kinder besser verstehen können. Gleichzeitig entstehen durch die Eigenständigkeit der Kinder weitere Möglichkeiten, in denen Fachkräfte sich anderen Aufgaben wie z.B. gezielten Förderungen widmen können. Zudem wird die Beziehung zwischen Kindern und Fachkräften vertrauensvoll gestärkt, wenn Kinder sich im Freispiel angenommen und verstanden fühlen.  

Freispiel ist also weit mehr als einfach „nur Spielen”. Es ist ein wesentlicher Baustein für die gesunde Entwicklung von Kindern. Indem wir es in den Fokus rücken und aktiv unterstützen, schaffen wir eine Umgebung, in der Kinder sich frei entfalten und selbstbestimmt wachsen können – ganz im Sinne einer bedürfnisorientierten und respektvollen Begleitung. 


Barbara Weber-Eisenmann auf der aim Biko 2025 

Mit ihrem Workshop “Bedürfnisorientierung in der Kita” lädt Barbara Weber-Eisenmann Eltern und Fachpersonal ein zu einer achtsamen Reise: Was ist Bedürfnisorientierung und was nicht? Wie kann sie umgesetzt werden? Und wie schaffen wir, dass alle Bedürfnisse gewahrt werden können? 

Mehr unter www.aim-biko.de 

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